Ahrflut — Unvollständige Vorbereitung im Umweltministerium
Was war die Vorgeschichte zum Kommunikationsdesaster des Umweltministeriums bzw. der Landesanstalt für Umwelt in Rheinland-Pfalz, die für die Hochwasservorhersage zuständig sind.
Bewertung
Es gab einige Punkte, die unvollständig umgesetzt wurden, Teile dieser Lücken waren handelnden Personen im Umweltministerium bekannt. Mich macht es sprachlos, wenn diese Personen dann eventuelle Schwierigkeiten oder Ungenauigkeiten im eigenen Bereich nicht kommunizieren und die anderen Stellen somit nicht nach besten Möglichkeiten unterstützen.
Mit einer weniger lückenhaften Vorbereitung wären folgende Punkte besser gewesen:
- Die Werte für HQ100 und HQextrem wären höher gewesen. Somit wäre mehr Fläche als Hochwassergefahren und Hochwasserrisikogebiet genannt worden. Weniger Flussauen wären zugebaut worden. Dies ist Wissen, dass aber erst nach der Flut einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde. Durch exaktere Arbeit hätte es aber genügend Möglichkeiten gegeben dies zu vermeiden.
- Die Ahr und weitere Flüsse wären in der Hochwassermeldeverordnung genannt und somit im Standardprozess der Meldungen über die Medien bei Überschreiten von Meldepegeln enthalten gewesen. Es wären auch frühzeitig Hochwasserberichte zur Flut im Ahrtal erstellt worden.
- Die Prozesse Flut -> Information des Katastrophenschutzes mit engem Austausch hätte funktioniert. Diese Meldekette war durch die Zusammenlegung des Hochwassermeldedienstes in Mainz unterbrochen, da keine Fachberatung mehr angeboten wurde.
Flutabend
Folgende Aussagen zur Flutnacht wurden in den Medien veröffentlicht:
Vorgeschichte
Hochwassermeldeverordnung
Zu weit in die Vergangenheit kann ich mangels Dokumentenübersicht nicht gehen, somit bleibt für mich im unklaren was die Diskussionsgrundlage für die Hochwassermeldeverordnung von 1986 war. Darin wurden nur relativ große Flüsse (>1200 km² Einzugsgebiet)genannt. Mittelgroße Flüsse ab 500 km² sind nicht in der Meldeverordnung genannt.
Letzte Enquete-Kommission
1993 und 1995 gab es größere Winter-Hochwasser die zu einer Bildung einer Enquete-Kommission mit dem Namen “Verbesserung des Schutzes vor Hochwassergefahren” geführt haben. Darin wurde verschiedenen Fragen nachgegangen.
Folgende Stichpunkte daraus sind zu nennen
- Festlegung Überschwemmungsgebiete notwendig
- Schaffung eines Rahmen Einsatz- und Alarmplans
Hier ist die fatale Auffassung, dass keine Fachaufsicht möglich sei schon vertreten worden.
Die überörtliche Information der Medien ist laut Bericht Landesaufgabe. Davon hat man 2021 nichts gemerkt.
- Sind weiter Pegel notwendig?
Egal wie viele Pegel es damals waren. Es waren eher zu wenig. Laut Bericht LAWA ist Rheinland-Pfalz im unteren Mittelfeld.
Monographie Büchs 2003
Im zweiten Teil der Monografie von Prof. Dr. Dr. Büchs et al. wurde von ihm auch auf vielen Seiten auf die Hochwassergeschichte der Ahr eingegangen.
Der Teil der Monografie, der vom Hochwasser handelt zeigt. dass das Wissen über Hochwasser im Ahrtal verfügbar ist und über Literaturrecherche zusammengeführt werden kann. Es gab zu den bekannten Hochwassern 1804 und 1910 zusätzlich weiter Hochwasser mit Todesfällen.
Pegelnetzanpassung 2004
Nach der Flutkatastrophe 2002 im Einzugsgebiet der Elbe wurden das Pegelnetz gehärtet, da 2002 sehr viele Pegel zerstört wurden.
Einschub
Neu für mich ist hier die Angabe, dass es einen Vorgängerpegel in Reimerzhoven gab. Zurück zur Hochwassersgechichte von Seel 1983.
Quelle 23 von zeigt auf eine Sammlung von Hochwassern durch die preußische Landesanstalt für Gewässerkunde.
Leider kann ich nicht ohne Mühe die historischen Pegelstände von Reimerzhoven recherchieren. Hier ist für mich auch die Frage wann der Pegel existierte und welche Werte für den Pegel abgelegt wurden. Falls der Pegel schon 1925 existierte, was in der Zusammenstellung Seel so beschrieben ist, ist die Frage wieso bei der Betrachtung für die Berechnung von HQ100 bzw. HQextrem nur Werte ab 1946 verwendet wurden.
Grundsätzlich ist aber in Frage zu stellen ob das Gutachten über die Ursachen von großen Hochwassern von 1929 der LfU für deren spätere Risikobetrachtung bekannt war. Als Quelle ist es nicht vermerkt.
Ausweisung Überschwemmungsgebiete 2005
2005 wurden die Überschwemmungsgebiete nach LWG (Landeswassergesetz) aktualisiert. Da wäre auch noch mal eine Möglichkeit gewesen etwas großzügiger Flächen als HQ100 zu benennen.
Ob es vor 2005 schon ein mal eine Ausweisung der Gebiete gab ist mir so nicht klar. Die Ausgabe 29. des Staatsanzeigers kann ich leider nicht einsehen.
EU-Hochwasserrichtlinie 2007/60/EG
Ein Punkt bei der Richtlinie ist die Betrachtung historischer Hochwasser. In einem früheren Artikel habe ich das genauer was davon betrachtet wurde. Hier in diesem Artikel nutze ich die dort gefundenen Erkenntnisse.
Bewertung des Hochwasserrisikos in RLP 2010
Zur Umsetzung der Hochwasserrichtlinie wurde 2010 das Dokument “Bewertung des Hochwasserrisikos in Rheinland-Pfalz” erstellt. Darin wird darauf hingewiesen, dass für weite Teile von Rheinland-Pfalz keine historischen Hochwasser betrachtet wurden.
In den Quellen taucht die Quelle 23 von Seel nicht auf.
Handlungsempfehlungen LAWA 2014
Es gibt alle 3 Jahre ein Bericht der LAWA zur Qualitätsverbesserung der Hochwasservorhersage
Dieser hat 2014 zu Handlungen in RLP geführt.
Welche Maßnahmen umgesetzt wurden kann ich nicht beurteilen.
Hochwasser im Ahrtal 2016
Nach dem Hochwasser im Ahrtal gab es einen Runden Tisch zum Thema Hochwasser.
Einige Punkte was zu verbessern sei sind enthalten. Zusätzlich auch Hausaufgaben für die Kreise.
Hervorzuheben ist hier auch die “geplanten” Auffangeinrichtungen für Geschiebe die Totholz und Heu- und Strohballen zurück halten sollten. Mit der Umsetzung dessen scheint man keine großen Fortschritte gemacht zu haben.
Beginn Projekt Zentralisierung HW-Zentralen in Mainz 2017
Im April 2017 wird das Projekt der Zentralisierung des Hochwassermeldedienstes in Rheinland-Pfalz gestartet.
Dieses beinhaltet wichtige Punkte
- HW-Lagebewertung soll durch ggf. einzurichtende Lagezentren durchgeführt werden
- Beratung ist nicht mehr Teil des Hochwasservorhersagedienstes
- Fachberatung Hochwasser ist nicht Aufgabe des Hochwassermeldezentrums
Handlungsempfehlungen LAWA 2017/2018
Die Empfehlung 2018 zeigt Verbesserungen in RLP für den Rhein, ansonsten keine großartigen Veränderungen.
Bewertung des Hochwasserrisikos in RLP 2018
Nach 8 Jahren wurde eine Fortschreibung der Risikobewertung Hochwasser durchgeführt. Das Jahrhunderthochwasser von 2016 fällt in den Zeitraum der Fortschreibung.
Dieser Abschnitt ist identisch zum Abschnitt in der Betrachtung von 2010.
Dies ist ein neuer Abschnitt über die Hochwasser am Rhein. Die Ahr war auch betroffen. Die Angabe, dass der Regen über den gesamten Monat runterkam und nicht in 24h fehlt hier.
Die Gefahr bei dieser Angabe führt mit Halbwissen zu folgender Kette:
2016 gab es 200–300 mm Regen an der Ahr und es folgte ein Jahrhunderthochwasser. Die Prognose für den Schadenstag war 150–200mm Regen, somit wäre als halbwissender Laie die Schätzung von einem etwa 70 jährigen Hochwasser nach den damaligen Maßstäben.
Das Quellenverzeichnis wurde etwas umfangreicher, die LAWA Empfehlung von 2017 ist auch enthalten. Die Berichte der LfU zu den Hochwassern werden nicht genannt.
Ende Projekt Zentralisierung HW-Zentralen in Mainz 2019
In 2019 wurden die weiteren Behörden über die Zusammenlegung der HW-Zentralen in Mainz informiert.
Darin enthalten ist auch die Information, dass die Fachberatung an die SGD delegiert wurde.
Zusätzlich ist von einer Anpassung der Hochwassermeldeverordnung die Rede. Eine Anfrage nach dem Stand der Bearbeitung wurde bisher noch nicht beantwortet.
Das LfU hatte nach Abschluss des Projekts den Auftrag erhalten bis auf weiteres die Aufgaben der bisherigen beiden lokalen Zentren zusätzlich wahrzunehmen. Oben wurden die folgende Aufgaben genannt, die nicht in der zentralisierten Form durchgeführt werden können
- HW-Lagebewertung soll durch ggf. einzurichtende Lagezentren durchgeführt werden
- Beratung ist nicht mehr Teil des Hochwasservorhersagedienstes
- Fachberatung Hochwasser ist nicht Aufgabe des Hochwassermeldezentrums
Die Frage ist welche davon in dem Schreiben des Umweltministeriums gemeint waren. Grundsätzlich ist es meiner Meinung nach schlecht, wenn man 2017 darauf hinweist, dass Projekte außerhalb angestoßen werden müssen, dies aber nicht geschieht.
Hier ist für mich ein bisher nicht öffentlicher Punkt zu sehen, der die Qualität des Hochwassermeldedienstes beeinflusst hat.
Handlungsempfehlungen LAWA 2020
Der „Evaluationsbericht-HW-Vorhersage- 2020" wurde auf der 161. LAWA-Vollversammlung am 25./26. März 2021 beschlossen.
Gegenüber 2017 wurden sogar wieder für den Rhein einige Punkte schlechter bewertet. Die Zusammenlegung in Mainz wurde in sofern positiv bewertet, dass die Verfügbarkeit von Fachpersonal rund um die Uhr als dunkelgrün bewertet wurde.
Die Sonderauswertung zum Thema Pandemie hatte zum Evaluierungszeitpunkt kein gutes Bild für RLP. Dies beißt sich etwas mit der Aussage im Untersuchungsausschuss. Hier ist zu klären welche Punkte zwischen Evaluation 2020 und der Flut noch verbessert werden konnten.
Rheinland-Pfalz ist im unteren Mittelfeld bei der Anzahl an hochwasser-relevanten Pegeln und Pegeln mit HW-Vorhersagen. Da geht sicher mehr.
Am Fluttag
Da ging auch einiges schief. Teilweise habe ich das hier beschrieben. Teilweise sind die Probleme auf die hier genannte unvollständige Vorbereitung zu schieben. Anderes war evtl. auch einfach nur Pech.