Thomas Strub
5 min readJan 26, 2022

Untersuchungsausschuss 18/1 „Flutkatastrophe“

Hochwasservorhersage Flutkatastrophe Ahrtal — was sagt die LfU im Untersuchungsausschuss

Am 28. Januar tagt der Untersuchungsausschuss 18/1 „Flutkatastrophe“ zum Thema Hochwasservorhersagen. Diese Sitzung ist Präsenzöffentlich. Also keine Übertragung ins Internet und keine Aufnahmen von der Sitzung.

In der letzten Sitzung zum Thema Wettervorhersagen gab es in den Medien leider nur zu einem Teil der Sachverständigen Meldungen. Die Medien hatten sich besonders auf Herrn Kachelmann und Frau Cloke konzentriert. Mich hätte mehr der Beitrag von 18:30 Uhr von Prof. Dr. Jürgen Herget zum Thema historische Fluten in der Ahr interessiert. Dazu konnte ich aber nichts lesen oder sehen. Medienkonsum ist also kein Wunschkonzert.

Beim Termin am 28. Januar interessiert mich besonders der Beitrag von Dr. Thomas Bettmann, Leiter der Abteilung Hydrologie der LfU RLP (Mainz). Die genannte Abteilung ist zuständig für den Hochwassermeldedienst und die Hochwasserfrühwarnungen in RLP. Der Termin ist auch wieder 18:30 Uhr da befürchte ich, dass die Vertreter der Medien schon im Wochenende bzw. Feierabend sind.

Was geschah am 14. Juli 2022

Ich habe mittlerweile ein relativ komplettes Bild welche Informationen zum Hochwasser im Ahrtal bei der LfU eingegangen sind und welche weiter gegeben wurden. Zusätzlich gibt es noch Informationen die Verfügbar gewesen wären, aber nicht verwendet wurden.

Wetterprognosen

Die Wetterprognosen über die verschiedene Modelle waren verfügbar. Von einem Informationsdefizit gegenüber dem DWD oder Kachelmannwetter kann man nicht ausgehen.

Historische Hochwasser

In Rheinland-Pfalz werden systematisch nur die Hochwasserwerte verwendet, die mit eigenen Pegeln gemessen wurden. Eine Einbindung von historischen Hochwassern wie in Bayern ist nicht vorgesehen. Somit wurden die Erkenntnisse von der Arbeitsgruppe Herget nicht verwendet.

Wasserlaufzeitdaten

In Rheinland-Pfalz wird die Laufzeit des Wassers (einer Scheitelwelle) zwischen 2 Pegeln nicht systematisch wie in Bayern veröffentlicht.

Regenmengen

Es gibt einige Wettermessstationen im Ahrtal. Diese liefern stündlich Daten und soweit ist mir nichts bekannt, dass diese nicht verwendet würden.

Daten vom Regenradar werden in den Modellen auch berücksichtigt.

Die Regenmessstation in Nürburg-Barweiler ist nach 17:00 Uhr ausgefallen. Ob der Ausfall einer Station eine Auswirkung auf Prognosen hatte ist unklar.

Pegeldaten

Für das Ahrtal stehen 7 Pegel zur Verfügung, 3 liegen an der Ahr. 4 an Nebenflüssen.

Auf der Webseite wird nur für den Pegel Altenahr eine Abschätzung veröffentlicht. Für Müsch und Bad Bodendorf wird eine Abschätzung berechnet aber nur im Hochwasserfall alle 3 Stunden an einen Verteiler mit unter anderem einer E-Mail-Adresse beim Landkreis Ahrweiler versendet.

Der Haupt-Pegel in Müsch ist um 15:30 Uhr bei 2,53m ausgefallen. Der Redundanzpegel um 13:30 Uhr bei 1,25 m. Danach wurden Schätzdaten veröffentlicht.

Der Haupt-Pegel in Altenahr ist um 20:15 Uhr bei 5,05m ausgefallen. Der Redundanzpegel um 20:45 Uhr bei 5,75 m.

Bei einem Ausfall eines Pegels im Hochwasserfall werden keine Werte lokal abgefragt.

Für die Kalkulation wird, wenn der Hauptpegel keine Werte mehr liefert der Redundanzpegel verwendet. Wenn beide Pegel keine Werte mehr liefern, was in Müsch am 14. Juli ab 15:30 Uhr passiert ist, sollte nicht folgendes passieren:

Antwort auf eine Anfrage bei der LfU

Kritisch war hier also die Nutzung des Referenzpegels, da dieser ältere Werte hatte, da er zuerst ausgefallen ist. Der Pegel in Müsch steht für 353 km² Einzugsgebiet, die 3 weiteren Pegel vor Altenahr (746 km²) bilden noch zusammen 196 km² ab. Es ergibt sich also ein sehr schiefes Bild für die Modellbildung, wenn über 40% des Wassers fehlen.

Pegelabschätzung auf den Seiten der LfU

In Social Media habe ich für den Pegel in Altenahr diesen Post und viele weitere Posts gefunden, die ein Screenshot des Pegels in Altenahr zeigen.

Eigene Darstellung

Für zentralen Klärungsbedarf sorgt die Reduktion der Abschätzung um 18:26. Erst nach 20:00 ist es wieder ein gefährlicher Wert und ab 21:00 ist der Wert wieder auf einem der Situation entsprechenden Wert.

Frühwarnungen

Es wurde um 11:17 eine Warnung Rot (≥ 20 Jahre HW)

und um 17:17 eine Warnung Lila (≥ 50 Jahre HW) veröffentlicht.

Die den Warnungen zugrunde liegenden Modellergebnisse sind mittlerweile veröffentlicht:

https://dokumente.landtag.rlp.de/landtag/drucksachen/2008-18.pdf

Die Regel für die Kategorisierung sind auch beschrieben:

Grundlagen des Hochwassermeldedienstes in Rheinland-Pfalz

Bei der 11:00 Uhr Prognose vom 14. Juli war der Schwellwert von 60% für HQ ≥ 50 mit einem Maximalwert von etwa 52% nicht überschritten. Wenn es eine zusätzliche Kategorie ≥ HQextrem gegeben hätte, hätte es wahrscheinlich um 11:00 schon für eine Lila Warnung gereicht. (10% HQextrem + 40% HQ50)

Emails an den Hochwasserverteiler @kreis-ahrweiler

In meiner Anfage über fragdenstaat wurden die Emails (15:26, 18:26, 21:26), die an die Adresse vl-hochwasser.ahr@kreis-ahrweiler.de des Landkreises geschickt wurden angehängt. Die Mails wurden auch in verschiedenen Presseveröffentlichungen genannt. Da persönliche Daten enthalten sind habe ich von einer Veröffentlichung der unveränderten Emails abgesehen.

Die genau Problematik damit hatte ich in einem früheren Artikel schon betrachtet.

  • Keine Mail 12:26
  • Emails nicht stündlich
  • Alte Pegeldaten Müsch

Telefonate mit der jetzt neuen Landrätin Frau Wiegand

Im Focus wurden beschrieben, dass Frau Wiegand telefonischen Kontakt zum LfU kurz nachdem die Email um 15:26 Uhr an vl-hochwasser.ahr@kreis-ahrweiler.de geschickt wurde.

Focus online

Genannt ist da zum einen ein direkter Rückruf und ein weiterer Anruf, der im zeitlichen Zusammenhang mit der zweiten Mail gegen 18:26 Uhr stehen dürfte. Da wurde die Prognose auf 4,03 m gesenkt.

Offene Fragen

Meldemarke Ahrtal

Wieso gibt es keine Hochwassermeldemarke in Ahrtal? Die Hochwassermeldeverordnung ist von 1986. Seit damals ist die IT deutlich besser geworden, da wäre es ein leichtes gewesen auch für das Ahrtal mit > 900 km² Einzugsgebiet eine Hochwassermeldemarke zu definieren.

Somit blieb dem Ahrtal nur der Status eines Gebietes für den ein Frühwarndienst eingerichtet wurde und die Warnungen nur lokal verbreitet wurden.

Aktives einfordern von Pegelständen

Wieso wurden für den Pegel in Müsch keine Pegelstände zum Beispiel über die örtlichen Feuerwehren abgefragt?

Wie sähe der Idealfall aus

Für mich stellt sich das als Hauptfrage, wie hätte die Hochwasserkatastrophe im optimalen Fall durch das LfU begleitet werden können. Welche Maßnahmen wären im Vorfeld durchgeführt worden und wo hätte man mit der bestehenden Infrastruktur besser handeln können.

Fazit

Wer arbeitet macht Fehler, eine gute Fehlerkultur sorgt dafür, dass bei zukünftigen Ereignissen elementare Fehler vermieden werden und auch bessere Ergebnisse erzielt werden.

Andere Bundesländer zeigen wie die Hochwasserwarnung besser funktionieren kann, hier würde ich in Rheinland-Pfalz bis 2025 erwarten, dass die Qualität der besten Bundesländer erreicht wird.

Thomas Strub
Thomas Strub

Written by Thomas Strub

Diplom Informationswirt. Arbeite als Softwareentwickler. Schlage zu oft die Hände über dem Kopf zusammen wenn ich S-Architektur sehe — Lebe im schönen Breisgau.

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