Schleppender Impfstart?
21.01.2021 Update neue Mengen an Impfdosen DE und DK
25.01.2021 Update Prognose AstraZeneca
Man liest ja immer wieder wie viele Impfdosen für 2021 für die Bürger in Deutschland gesichert wurde und wie toll doch alles läuft. Leider gibt es derzeit noch keine Übersicht wie der Fortschritt bei den Impfungen sich mittelfristig auswirkt.
Ich will hier eine kurze Übersicht über die derzeit bekannten Meldungen zusammen fassen und rechne unten 3 verschiedene Szenarien durch.
Intension
Es werden zwar Wasserstandsmeldungen posaunt, aber die relevanten Wegmarken verliert man aus dem Blick.

Diese Aussage hatte mich so gewundert, dass ich mir die Zeit genommen habe die bekannten Informationen zusammen zu fassen.
Das BMG hat keinen Tag später auch gemerkt, dass eine falsche Zahl veröffentlicht wurde:

Nun ist meine Übersicht fertig und meine Basisintension die Aussage des ersten Tweets in Frage zu stellen ist überflüssig, da das BMG selber gemerkt hat, dass die Aussage inkorrekt war.
Die Frage ob die 2–3 Monate korrekt sind steht aber immer noch im Raum. Korrekter als “1–2 Monate” ist es auf jeden Fall, es aber hängt insbesondere davon ab, was hier als “Impfwillige” bezeichnet wurde.
Für mich ist ein Impfwilliger eine Person für die der Impfstoff zugelassen wurde und die sich impfen lassen will. Somit wäre in 3 Monaten, also am 10. April eine Anmeldung für einen Impftermin für Personen der Gruppe “Rest” möglich.
Ich bin gespannt.
Und da ich nicht nur gespannt sein will habe ich die zusammengesuchten Daten verwendet um zu prüfen ob es möglich wäre.
Übersicht Bevölkerung in Deutschland
Hier ist die von der Ständigen Impfkommision veröffentlichte Einteilung der Bevölkerung in Deutschland

Ich persönlich hätte die gelb markierten Gruppen in die Prioritätsgruppe 1+ genommen, da dort das Produkt von Infektionsrisiko * Auswirkung am höchsten ist. Aber es wurde nun mal anders beschlossen und für Personen aus Gruppe 2–6 hat eine weitere Unterteilung der Gruppe 1 auch keine Auswirkung.
Das Bundesgesundheitsministerium hat die oben genannten Gruppen noch ein mal zusammengefasst. Für weitere Berechnungen rechne ich mit kurzfristig 70% Impfwilligen. Bedeutet wenn jemand sich erst zum Winter Impfen lassen will, wäre diejenige Person auch in den 30% nicht Impfwilligen enthalten.

Für die Betrachtung wann mit der nächsten Gruppe gestartet werden kann ist somit die Zielerreichung von 6 Mio , 15 Mio und 25 Mio Menschen bei denen mit dem Impfen schon begonnen wurde relevant. Bedeutet, wenn 15 Millionen Impfwillige ihren ersten Termin gebucht haben ist es wahrscheinlich, dass für die 3. Gruppe mit der Terminplanung begonnen werden kann.
Relevante Impfstoffe
Für den deutschen Markt sind nur die Impfstoffe relevant von der über die EU oder extra-Verträge der Bundesregierung Impfdosen bestellt wurden.

BioNTech + Moderna
Die Impfstoffe der beiden Hersteller sind zugelassen und Impfungen für BioNTech wurden in Deutschland schon gestartet. Von Moderna sind die ersten Impfdosen eingetroffen.
AstraZeneca
Der Impfstoff von AstraZeneca ist schon in einigen Ländern zugelassen, eine Zulassung für die EU im Februar scheint wahrscheinlich.
Johnson&Johnson
Für den Impfstoff von Johnson&Johnson gibt es derzeit zwei Phase 3 Studien.
- Eine Dosis mit Start im September 2020 (60.000 TN)
- Zwei Dosen mit 56 Tagen Abstand. Start Mitte November 2020 (30.000 TN)
Die Frage wird sein ob in der ersten Studie eine gewünschte Wirksamkeit erreicht wird oder nicht. Für die Überprüfung der Sicherheit sehe ich trotzdem nutzbare Ergebnisse.
Laut eines Tweets des BMG hofft man auf eine Zulassung in Q1 2021. Wird eventuell sportlich, da eventuell das Ergebnis der Sicherheit des zweiten Szenarios abgewartet werden muss.

CureVac
Gleiche Zulassungshoffnung des BMG-Twitteraccounts gilt für den Impfstoff von CureVac, wobei dort die Phase 3 noch mal ein Monat später begonnen hat, aber die zweite Dosis wird schon nach 28 Tagen geimpft wird. Deswegen könnten beide Impfstoffkandidaten gleichzeitig die Phase 3 beenden.
Lieferungen Impfdosen
Stand heute (11.01.2021) gibt es folgende Zusagen zu zugelassenen Impfstoffen:

BioNTech
Zur Lieferungen und Verteilung des Impfstoff von BioNTech wurde am 11.01.2021 wohl folgende Übersicht erstellt

Damit weniger als in der von OnVista veröffentlichten Meldung.
Moderna
Zum Impfstoff von Moderna findet sich zusätzlich folgende Übersicht über die Lieferungen:

Bestätigte Impfdosen (Basis Schätzung 11.01.2021)
Die in den vorhandenen Quellen prognostizierten Impfdosen verteilen sich folgendermaßen auf Q1:

Dafür wurden 2 Annahmen getroffen.
- Die Lieferung des BioNTech Impfstoffs wird wöchentlich weiterhin gleichmäßig von statten gehen
- Die Lieferung des Moderna Impfstoffs wird in Q1/2021 2 Mio Dosen betragen und die fehlenden Dosen auf 2. Mio kommen in 2 Wochen Abstand zu gleichen Teilen.
Stand 20.01.2021
Die Lieferungen des Impfstoffs sind durch Arbeiten im belgischen Werk etwas ins Stocken gekommen und in KW 5–8 werden weniger Impfflaschen als geplant ausgeliefert. Dies hat einen starke Auswirkung auf das Impfterminmanagement. Insbesondere ob die Strategie die zweite Dosis aus einer zukünftigen Lieferung zu nutzen oder nicht.

Zum Impfstoff von Moderna gibt es keine Neuigkeiten, deswegen ist das nicht in der Übersicht
Impfplan
Ein kontinuierlicher Impfplan könnte folgendermaßen aussehen:

Damit würden je Woche über 500.000 Personen geimpft werden. Im April müsste man durch die “abnehmende” Lieferung von Moderna die Anzahl an neuen Menschen, die geimpft werden etwas zurück fahren, da im Schnitt nur Dosen für 482.400 Menschen in der oben stehenden Auflistung bereit stehen.
Damit wären 70% auf Gruppe 1 um den 10. März erreicht und Menschen aus der zweiten Gruppe könnten sich wahrscheinlich ab Beginn März um Termine für Impfungen ab Mitte März kümmern.
Die Bundesländer sollten in ihren Planungen nicht zu deutlich hinter diesen Meilensteinen sein. Wenn im ersten Bundesland Personen der Priorisierungsgruppe 2 mit der Impfung starten können sollten in anderen Bundesländern die ersten Termine auf Sicht auch schon verfügbar sein.
Hoffnung auf mehr Impfstoff
Es bestehen folgende Hoffnungen, dass weitere Impfdosen früher verfügbar sind. Und somit schneller die Impfungen durchgeführt werden können.
BioNTech
Mitte Februar soll in einem von Novartis gekauften Werk in Marburg die Produktion starten. Geplant sind für 250 Mio Dosen noch im ersten Halbjahr. Die Auslieferung startet aber nicht vor Mitte März, da zwischen Produktionsstart und Auslieferung 4 Wochen für verschiedene Qualitätssicherungsmaßnahmen vergehen.
BioNTech hatte ursprünglich geplant 2021 1,3 Mrd. Dosen zu produzieren. Das neue Werk in Marburg soll zusätzlich eine Produktionskapazität von 750 Mio. Dosen bis Ende des Jahres bereitstellen. Das würde eine Steigerung von über 50% bedeuten. Eine Verdopplung der Lieferungen an Deutschland gegenüber den derzeitigen Mengen ist durchaus realistisch, da die Dosen aus dem Marburger Werk noch nicht zugesichert verkauft werden. Laut verlinktem Investorenübersicht sind derzeit etwa 1 Mrd. Dosen verkauft.
Moderna
Eine Aussage wann die restlichen 48 Millionen Impfdosen für 2021 von Moderna geliefert werden gibt es nicht. Aber die Zahl von 2 Mio Dosen in Q1 passt nicht zur Lieferung von 674.400 Dosen in KW 8. Die Hoffnung, dass diese Liefermenge von KW 8 im 2-Wochenrhymus weiter geführt wird ist sicher nicht unberechtigt.
Eine ambitioniertere Schätzung würde ab KW 10 die restlichen 48 Mio. Impfdosen gleichmäßig auf 2021 verteilen.
Moderna hatte in einer Investorenpräsentation vom 21. Oktober 2020 geschätzt 2021 zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. Dosen weltweit zu liefern. Zu diesem Zeitpunkt war die EU noch in Verhandlungen, andere Länder hatten schon Verträge unterschrieben.
AstraZeneca
Eine Zulassung des Impfstoffs von AstraZeneca ist aufgrund des Preises und der einfacheren Lagerung sicher relevant, aber die bisher in Studien belegte Wirksamkeit von 70% scheint der Impfstoff nur als Papiertiger (Impfnachweis) zu gebrauchen zu sein.
Wobei AstraZeneca mit abweichender Impfdosis und anderen Änderungen die Wirksamkeit noch erhöhen will.
Die Regelung, dass neue Arzneimittel besser als bestehende sein müssen, würde sonst eine Zulassung entgegen stehen. Hier bin ich aber kein Fachmann und nehme die bestellten Lieferungen von AstraZeneca in die Hoffnungsliste mit auf.
Bestellt sind 56,2 Mio Dosen. Ein Lieferstart von einer gleichbleibend hohen Anzahl an Dosen für das Rest vom Jahr ergibt knapp 1,3 Mio Dosen pro Woche.
Update 25.01.2021
Der Impfstoff von AstraZeneca soll wohl zum 29. Januar die Freigabe der EMA erhalten. Die Liefermenge für die Gesamt-EU für Q1/2021 wurde von ursprünglich 80 Millionen Dosen auf 31 Millionen gesenkt. Die Lieferungen sollen nach Reuters Angaben ab 15. Februar starten. Nach Deutschland dürfte ein Anteil von etwa 18,6% gehen damit wäre das in den 7 Wochen bis zum 31. März 822.659 Dosen die Woche.
CureVac / Johnson&Johnson
Impfstoffe dieser beiden Hersteller lasse ich für die untenstehende Übersicht bewusst außen vor, da die Wirksamkeit in Studien noch nicht gemessen wurde.
Impfplan mit etwas Hoffnung

Bedeutet, dass mit der Produktionsausweitung von BioNTech, der Zulassung von AstraZeneca und einer wahrscheinlich höheren Liefermenge von Moderna zum 29. März die Anzahl an Impfstarts von 7,4 Mio auf 16,4 Mio Personen gesteigert werden könnte.
Eventuell könnten die Zusatzvereinbarungen der Bundesregierung noch weitere Impfdosen früher verfügbar machen. Zu Beginn der Osterferien könnte somit die zweite Prioritäts-Gruppe komplett ihre zweite Dosis erhalten haben. Somit wäre dieses Jahr ein Osterfest im Familienkreis mit Oma/Opa und den Enkeln durchaus im üblichen Rahmen möglich. Und dies ohne zu viel Hoffnung in eine wundersame Impfstoffvermehrung.
Impfplan mit viel Hoffnung
Mit viel Hoffnung werden die beiden Impfstoffe von CureVac und Johnson&Johnson noch in Q1 2020 zugelassen und die 62 Mio. (42+20) bzw. 37,25 Mio Dosen gibt es dann schätzungsweise ab 29. März wöchentlich gleichmäßig verteilt.
Zusätzlich wird die Tranche der 30 Mio zusätzlichen Dosen von BioNTech ab Produktionsstart des Werkes in Marburg bis Ende Q1 ausgeliefert.
Moderna und AstraZeneca bleiben wie in der oberen Schätzung

Damit wäre noch in HJ 1 die Impfung quasi durch. Und es wäre sogar auch möglich, dass in 2–3 Monaten jeder Impfwillige aus der Gruppe Rest sich erfolgreich um einen Termin zur Impfung bemühen kann.
Die Kommunikation nur dieses Best-Case Szenarios fände ich falsch. Als weiteren Weg, in Kombination mit dem Basisszenario sollte man es durchaus ins Auge fassen.
Frankreich (26.01.2021)
Für Frankreich habe ich einen Link auf den Lieferplan mit viel Hoffnung vom 8.1.21 erhalten:

Auffällig hier ist, dass die in der Diskussion auftauchenden 80 Mio. Dosen von AstraZeneca nicht komplett verplant waren. Frankreich hat einen Anteil von knapp 15%. Das wären bei 80 Mio. Dosen etwa 12 Mio. Dosen. Im Plan vom 8. Januar waren aber nur 9 Mio. Dosen. Somit war Anfang Januar wohl schon klar, dass die Liefermengen nicht eingehalten werden können. Die Lautstärke der Diskussion 2 Wochen später wundert mich doch ein wenig.
Ausblick
Ich vermute eher, dass das mittlere Szenario zutrifft somit wäre in HJ 2 die Gruppe der nicht priorisierten erst zur Hälfte durch. Die fehlenden Impfungen würden dann vor Beginn der Kältewelle im Winter durchgeführt werden können.
Macht es Dänemark besser?
Eine weitere Intension wieso ich die Information gesammelt habe ist der Vergleich zu anderen Ländern. Ursprünglich hatte ich den Impfplan von Dänemark auf Twitter gesehen


Diesen habe ich verkürzt heute morgen in der folgende Äußerung gelesen:

Ja, wenn sich die Impfdosenlieferungen ab KW 14 (Ostern) verzehnfachen kann man auch in Deutschland jedem einen Impftermin bis zum 30. Juni anbieten:

Wenn man die Gruppenbezeichnung im dänischen Plan mit denen in Deutschland vergleicht sieht man, dass auch dort vor Ende März nicht mit großen Teilen der Gruppe 3 (60–69) begonnen wird. Auch in Dänemark kann man keine Impftermine anbieten so lange der Impfstoff noch nicht produziert und ausgeliefert ist.
Macht es Baden-Württemberg oder Mecklenburg-Vorpommern besser?
Das Sozialministerium in Baden-Württemberg hält konsequent 50% der Impfdosen für die zweite Impfung zurück

In MV wird ziemlich sicher der vorhandene Impfstoff direkt verimpft.
Impfquoten in % der Bevölkerung
Vergleich der Strategien:
Es gilt die beiden Strategien zu vergleichen. Ich habe nicht auf tagesgenaue Werte heruntergebrochen. BioNTech habe ich mit 6 Impfdosen pro 5er- Fläschchen gerechnet. Bei kontinuierlicher Impfung kann bis zum 20./21. Januar aus der Lieferung vom 8. Januar geimpft werden, da die Logistik dafür sorgt, dass sich die Lieferung vom 18. Januar erst 2–3 Tage später in den Impfzentren ankommt.

Baden-Württemberg wird mit der jetzigen Impfrate von bis zu 0,1% Bevölkerung pro Arbeitstag bis zum 21. Januar etwa 1,3% der Bevölkerung erreichen. Was in etwa dem Wert von 1,5% aus der Kalkulation entspricht. In Mecklenburg-Vorpommern dürfte in 1–2 Tagen wieder ein Plateau entstehen, da die Impfdosen dann entsprechend verbraucht sind. Der Vorsprung wird bis zum 20 Januar von >150% auf etwa 68% sinken.
Bewertung
Der Unterschied von einem Prozenzpunkt entspricht in etwa dem der Anzahl an Bewohnern von Pflegeheimen. Ich finde den von Baden-Württemberg verwendeten Ansatz falsch den Herstellern nicht zu vertrauen die Liefervereinbarungen einzuhalten. Somit hinkt die Impfung mit der sicheren Lagerstrategie gegenüber der alles wird direkt verimpft Strategie in den vulnerablen Gruppen um 14 bzw. eher 21 Tage hinterher.

Bei 21 Tagen Verzug und einer 7-Tage-Inzidenz auf 100.000 von 150 ergibt bei einer vermuteten Reduktion der Sterbefälle bei geimpften um 95% der verschobene Impfstart in Baden-Württemberg 47 zusätzliche Todesfälle.
Update 20.01.2020
Die ursprünglich geplanten Liefermengen konnten nicht wie zugesagt geliefert werden. Jetzt ist die Frage wie sich das auf die beiden Impfstrategien auswirkt.

- Für alle Zweitimpfungen ist noch genug Impfstoff vorhanden (erstmalige Impfung sinkt ≤ 8.1 nicht
- Erstimpfungen aus Lieferung KW 4 müssen verschoben werden.
Die Aussage der Bundesländer, dass keine Zweitimpfung verschoben werden muss ist plausibel. Insbesondere, da nicht aggressiv 100% der Dosen geimpft wurden. MV war Stand 17.01 bei 37.570 Dosen also 2,34%.